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ZZäsur im Wettbewerbsrecht

Wettbewerbsrecht: Das Bundeskartellamt hat ein Anfang 2021 eingeleitetes Verwaltungsverfahren wegen des Beitritts der KHG GmbH & Co. KG (Krieger/Höffner-Gruppe), Schönefeld, zur Möbeleinkaufskooperation Bedarfsgüter Großhandelsgesellschaft für Wohnung GmbH (Begros), Oberhausen, eingestellt, nachdem die Beteiligten weitreichende Änderungen gegenüber dem ursprünglich geplanten Vorhaben vorgenommen haben.

Diese Änderungszusagen enthalten die Verpflichtung, dass Porta und KHG nicht gleichzeitig dieselben Eigenmarken führen. Das sollte von den Alliance-Anschlusshäusern auf den fraglichen neun Regionalmärkten in den neuen Bundesländern überprüft werden.

Im Einzelnen:

  • Die Beteiligten
  • Ermittlungen des Bundeskartellamts
  • Angleichung von Beschaffungskosten
  • Anteile auf den Beschaffungsmärkten etwas kleiner
  • Bedeutung von Eigenmarken der Einkaufskooperationen
  • Weitreichende Änderungen des Ausgangsvorhabens
  • Zwei-Markenfamilien-Modell
  • Reduzierung der Kosten- und Sortimentsangleichung
  • Konsequenzen für den Wettbewerb

Die Beteiligten

Die Begros gehört zu den führenden Möbeleinkaufskooperationen im Inland. Ihre 16 Mitgliedsunternehmen sind über das gesamte Bundesgebiet und teilweise das angrenzende Ausland verteilt tätig. Die KHG ist eines der führenden Möbelhandelsunternehmen im Inland und betreibt über 30 großflächige Einrichtungshäuser unter den Marken Höffner und Kraft und über 20 Discount-Märkte unter der Marke Sconto im gesamten Bundesgebiet sowie mehrere Online-Shops.

Ermittlungen des Bundeskartellamts

Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts ergaben sich auf neun regionalen Absatzmärkten in Ostdeutschland gemeinsame Marktanteile der Beteiligten, die sehr deutlich oberhalb der, in den Leitlinien der EU-Kommission über horizontale Zusammenarbeit genannten, Schwelle von 15% lagen. Diese neun Markträume ergaben ein zusammenhängendes Gebiet etwa von Stendal im Norden über Magdeburg, den Raum Halle/Leipzig, Chemnitz und Dresden bis nach Cottbus im Osten.

Angleichung von Beschaffungskosten

Nach Auffassung des Bundeskartellamts war durch den Beitritt der KHG zur Begros in der ursprünglich beabsichtigten Form eine erhebliche Angleichung der Beschaffungskosten für Möbel zu erwarten. Betroffen wäre damit der mit Abstand wichtigste variable Kostenblock des Möbeleinzelhandels gewesen. Gleichzeitig hätten sich die den Verbrauchern angebotenen Sortimente im erheblichen Umfang angeglichen. Insbesondere hätte KHG nach erfolgtem Beitritt ebenso wie Porta die Begros-Eigenmarken wie MONDO, Vito u.a. mitnutzen können. Theoretisch hätte diese Sortimentsangleichung zu einer Intensivierung des Preiswettbewerbs zwischen Porta und KHG führen können.

Insbesondere aufgrund der zusätzlichen Angleichung praktisch sämtlicher variabler Kosten erschien es aber wahrscheinlicher, dass die beiden Unternehmensgruppen schlussfolgern würden, dass ein Preiswettbewerb zwischen ihnen letztlich kaum zu Umsatzzuwächsen, wohl aber Margenrückgängen führen würde. Nach vorläufiger Einschätzung der zuständigen Beschlussabteilung war daher im Ergebnis zu befürchten, dass KHG und Porta ihren bisher wechselseitig aufeinander ausgeübten Wettbewerbsdruck reduzieren und von zusätzlichen Verhaltensspielräumen profitieren könnten. Dadurch wären auf den neun Regionalmärkten in Ostdeutschland, auf denen der Wettbewerbsdruck durch Dritte vergleichsweise schwach ausgeprägt ist, der Wettbewerb zwischen Porta und KHG beschränkt und die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher eingeschränkt worden. Dies hätte einen Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV bedeutet.

Anteile auf den Beschaffungsmärkten etwas kleiner

Im Sinne einer zügigen Verfahrensführung hat das Bundeskartellamt von der Ausermittlung der betroffenen Beschaffungsmärkte abgesehen. Die bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnisse legten allerdings nahe, dass die Beschaffungsmärkte in räumlicher Hinsicht überwiegend über Deutschland hinausgehen, ohne dass feststeht, wie groß sie genau sind. Die beschaffungsseitigen Marktanteile von Begros und KHG dürften deshalb nicht die Höhe der Anteile auf den Absatzmärkten erreichen. Definitive Feststellungen zur sachlichen und räumlichen Abgrenzung der Beschaffungsmärkte hat das Bundeskartellamt im vorliegenden Fall allerdings nicht getroffen. Dasselbe galt in Bezug auf wettbewerbsbeschränkende Wirkungen des Vorhabens auf den Beschaffungsmärkten.

Bedeutung von Eigenmarken der Einkaufskooperationen

Anhand der Ermittlungen stellte die Beschlussabteilung die große Bedeutung von Eigenmarken der Einkaufskooperationen, aber auch einzelner eigenständig beschaffender Möbelhandelsunternehmen, für den Wettbewerb im Möbeleinzelhandel fest. So entfielen bei allen Befragten zusammen über 30% der Einzelhandelsumsätze im Bezugsjahr 2019 im Inland auf Eigenmarken, wobei die Anteile erheblich variierten. Die am Vorhaben beteiligte Begros wies dabei einen vergleichsweise hohen Anteil auf. Obwohl in den vorliegenden Verfahren, ebenso wie in dem vorangegangenen Verfahren B1-229/18 –
Verweigerung des Beitritts der KHG zur Möbeleinkaufskooperation VME/MHK Union – das Fehlen einer förmlichen Bezugsverpflichtung der Mitglieder der Einkaufskooperationen bestätigt wurde, lagen die tatsächlich ermittelten Anteile der Beschaffung über die befragten Verbände (sog. Bezugsquoten) gleichwohl im Durchschnitt über 80%.

Weitreichende Änderungen des Ausgangsvorhabens

Die Beteiligten legten der zuständigen Beschlussabteilung Vorschläge zur Änderung des Vorhabens vor, mit dem Ziel, die wettbewerblichen Bedenken auf einer Reihe von Absatzmärkten auszuräumen. Den ersten Vorschlag eines räumlich begrenzten Verzichts auf die Nutzung der Begros-Eigenmarken durch die KHG lehnte die Beschlussabteilung als unzureichend ab. Eine räumlich unbegrenzte Trennung der Begros-Eigenmarken zwischen Porta und der KHG in zwei Gruppen (sog. Zwei-Markenfamilien-Modell) sah die Beschlussabteilung dagegen als geeignet an, um die wettbewerblichen Bedenken weitreichend zu beseitigen. Das Bundeskartellamt erwirkte hier zudem weitere Änderungen im Detail, und die Beteiligten haben ergänzende Vereinbarungen getroffen, die die Effektivität des Zwei-Markenfamilien-Modells aus Sicht des Bundeskartellamtes erwarten lassen.

Zwei-Markenfamilien-Modell

Das Zwei-Markenfamilien-Modell bedeutet zunächst, dass Porta und KHG über mehrere Jahre nicht die gleichen Begros-Eigenmarken beschaffen und im Sortiment führen können. Für die übrigen Begros-Mitgliedsunternehmen bestehen dagegen keine Beschränkungen, d.h. sie können künftig Eigenmarken sowohl mit Porta als auch mit KHG gemeinsam beziehen und verkaufen. Weiter darf die Begros Exklusivmodelle nur entweder unter der einen oder unter der anderen Markenfamilie beschaffen und vertreiben. Insoweit hatte das Bundeskartellamt ermittelt, dass sich Exklusivmodelle durch exklusiv von dem jeweiligen Hersteller gelieferte Merkmale wie etwa bestimmte Funktionen (z.B. Schlaffunktion bei einem Sofa) oder einer bestimmten Art von Bezug (z.B. Leder oder Stoff bei Polstermöbeln und Stühlen) auszeichnen. Die hinreichende Unterschiedlichkeit der, unter den beiden Markenfamilien, vertriebenen Möbelstücke wird durch interne Beschaffungsregeln der Begros und der ergänzenden Vereinbarungen sichergestellt, die dem Bundeskartellamt im Einzelnen zur Prüfung vorlagen. Zusätzlich wurden ergänzende Ermittlungen zu den voraussichtlichen Wirkungen des Zwei-Markenfamilien-Modells bei mehreren Begros-Mitgliedsunternehmen durchgeführt.

Reduzierung der Kosten- und Sortimentsangleichung

Da die Eigenmarken einen erheblichen Anteil am Sortiment und am Umsatz der Begros-Mitglieds-unternehmen ausmachen, wird mit dem Zwei-Markenfamilien-Modell die infolge des Beitritts der KHG zu erwartende Kosten- und Sortimentsangleichung erheblich reduziert. Weiterhin haben die Beteiligten zugesagt, dass die KHG auch nach erfolgtem Beitritt ihre bisherigen Konditionen für den Bezug von Artikeln des Möbelgrundsortiments nicht gegenüber der Begros bzw. deren Mitgliedern offenlegen wird. Daraufhin hat die zuständige Beschlussabteilung das Verfahren eingestellt.

Konsequenzen für den Wettbewerb

Der Wettbewerb sollte nun überprüfen, ob sich Porta und KHG an ihre Verpflichtungszusagen halten. Sollte sich herausstellen, dass das nicht der Fall ist, Porta und KHG also doch auf den fraglichen Regionalmärkten in den neuen Bundesländern gleichzeitig beide Markenfamilien führen, stelle dies einen Wettbewerbsverstoß dar, der dem Bundeskartellamt unbedingt zur Kenntnis gebracht werden sollte.

Rechtsanwalt Stefan Michel
KLEINER Rechtsanwälte Part mbB Büro Stuttgart www.kleiner-law.com

Bildquelle: Alliance-Verband